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Sportpolitik

Geschäftsbericht 2023: Warum Vereine sportpolitisch aktiv bleiben sollen

In vielen Statuten von Sportvereinen steht, dass die Organisation «politisch neutral» ist. Doch das bedeutet nicht, dass Sportvereine sportpolitisch inaktiv sein sollen – im Gegenteil. Wer sich sportpolitisch einbringt, bringt seinen Mitgliedern einen Mehrwert. Die langjährige Kantonsrätin (2013 – 2023) und Neo-Nationalrätin Yvonne Bürgin sowie Lisa Diggelmann, seit 2021 im Zürcher Gemeinderat, engagieren sich in Sport und Politik und machen so auch Sportpolitik. Ein Gespräch zwischen zwei politischen Generationen.

Yvonne Bürgin

Wieso sollen sich Vereine weiterhin sportpolitisch einbringen? Darüber sprachen Yvonne Bürgin und Lisa Diggelmann im Doppelinterview. Fotos: Phutsadee Phoojaphon

Yvonne Bürgin und Lisa Diggelmann, wie wichtig ist Politik für den Sport?

Yvonne Bürgin: Der Sport ist in den letzten Jahren politisch unter Druck  gekommen. Hier haben gewisse negative Auswüchse rund um den Spitzensport ihren Einfluss. Deshalb ist es wichtig, dass sich der Breitensport in der Politik wieder mehr Gehör verschafft. 

Lisa Diggelmann: Bei Sport können alle mitreden – oder sie haben zumindest das Gefühl. Ein Beispiel: Ich spielte selbst Fussball, studierte BWL mit Vertiefung Sportmanagement und arbeite nun in der Stadt 
Aarau in der Verwaltung; da bin ich unter anderem zuständig für Sporthallen und Fussballplätze. Wir wollten einen Fussballplatz um ein Kunstrasenfeld erweitern, und mir erklärten dann vier Politiker, weshalb ein Kunstrasen ganz schlecht sei. 

Bürgin: Generell hat die ideologische Politik zugenommen. Wir brauchen wieder mehr Politikerinnen und Politiker, die links und rechts zuhören, um miteinander eine Lösung zu finden. Aber Sport ist doch eine gute Sache. 

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Fehlt diese Anerkennung heutzutage auf politischer Ebene? 

Bürgin: Das Bundesamt für Gesundheit unterstreicht auf seiner Website die Bedeutung von Sport und Bewegung für die physische und psychische Gesundheit. Die Gesundheitskosten steigen, deshalb wären Investitionen in Sportinfrastruktur nachhaltig. Vielleicht sollte das BAG den Sportvereinen Geld zur Verfügung stellen, damit die Gesundheitskosten langfristig wieder sinken. 

Diggelmann: Die Krankenkassen haben das längst realisiert und bieten Apps an, die Aktivitäten aufzeichnen und so die Prämien vergünstigen. Kurz: Wenn die Leute Sport treiben, sind die Gesundheitskosten tiefer. Da könnte von der Politik schon etwas mehr kommen.

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Unter anderem wegen ihrer sportlichen Vergangenheit entschied sich Lisa Diggelmann, Politikerin zu werden.

Sie waren beide zuerst Sportlerinnen und schlugen dann den Weg in die Politik ein. Nehmen Sie uns mit auf diesen Weg. 

Diggelmann: Ich begann mit fünf Jahren Fussball zu spielen. Weil ich in einem kleinen Dorf aufgewachsen bin, war ich immer das einzige Mädchen und habe mit Jungs gespielt. Mit zwölf Jahren wollte ich in ein Frauenteam und musste dafür drei Dörfer weiter. Da merkte ich, dass es sehr schwierig war, bei der 
Infrastruktur die gleichen Bedingungen wie für Männer vorzufinden. Dies und die Episode mit dem Kunstrasen in Aarau bewogen mich dazu, es mit einer Kandidatur zu probieren. 

Bürgin: Sporttreibende sind engagierte Menschen. So wurde ich nach meiner Aktivkarriere als Kunstturnerin zuerst Kampfrichterin. Und weil ich etwas bewegen wollte, landete ich in der Politik. Das begann mit Hallenöffnungszeiten; auch wirkte ich in der Schulpflege mit. Als die Hallenkapazität nicht mehr ausreichte, realisierte ich, dass ich in der Politik mehr bewirken konnte als im Turnverein. 

Die Mühlen der Politik mahlen zuweilen sehr langsam. Hilft Ihnen die Sportmentalität im Politikalltag? 

Bürgin: Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermögen braucht es im Sport, 
und es hilft ebenso in der Politik. Man muss ein Ziel haben – auch wenn das etwas länger dauert. 

Diggelmann: Ich kenne die Perspektive der Verwaltung und weiss, dass ein Projekt seine Zeit braucht. Auf der anderen Seite ist es mir lieber, es dauert drei Monate länger, dafür ist das Projekt mehrheitsfähig und wird nicht bachab geschickt. 

Yvonne Bürgin, als langjährige Sportpolitikerin, zuletzt als Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe Sport im Kantonsrat, können Sie beurteilen, wie sich das Sport-Lobbying in den letzten Jahren verändert hat. 
Bürgin: Es ist schwieriger geworden, Kompromisse zu finden. Nicht alle können alles haben; man muss manchmal auch etwas geben. Dies stelle ich ebenfalls bei den Ansprüchen von Vereinen fest: Es gibt solche, die schon in eine Vorleistung gegangen sind und eine Zusammenarbeit suchen. Andere wiederum stellen einfach Forderungen gegenüber der Gemeinde.

«Wenn Gemeinden runde Tische organisieren, sollten die Vereine unbedingt daran teilnehmen.»

Yvonne Bürgin

«Manchmal braucht die Exekutive einen Vorstoss, um ein Projekt anstossen oder legitimieren zu können.»

Lisa Diggelmann

Lisa Diggelmann, wie sieht es bei Ihnen aus? Füllt sich das Postfach als Jungpolitikerin ebenfalls schnell?

Diggelmann: Ich kann da noch eher im Ruhigen wirken. Ich nutze diese Ressourcen, um die Verwaltungen und ihre Fachleute zu spezifischen Themen einzuladen. 

Entweder gibt es wenig Sportplätze und Sporthallen – oder sie sind zu klein. Wie kann Abhilfe geschaffen werden?

Bürgin: Die Stadt Zürich macht das vorbildlich: Wenn eine Schule beispielsweise eine Zweifachhalle benötigt, die Vereine aber lieber eine Dreifachhalle wollen, bezahlt die Stadt die Differenz. Leider klappt das auf kantonaler Ebene nicht gleich gut. Wir sollten indes auch neue Wege gehen, wo Hallen gebaut werden dürfen. Wir haben das Beispiel einer Berufsschulhalle, die saniert werden muss. Hier wäre vielleicht zu prüfen, ob die Gemeinde eine zweite Halle auf dieser kantonalen Halle obendrauf realisieren könnte. 

Diggelmann: Genau, denn der Boden ist begrenzt. In Aarau haben wir seit 
2016 einen Teamstopp im Fussball. Neue Kunstrasen würden hier auch saisonal Abhilfe schaffen und es entstünden neue Hallenkapazitäten, weil im Winter Fussball draussen gespielt werden kann.

Danke, Yvonne!

 

Von 2019 bis 2023 präsidierte Yvonne Bürgin die Parlamentarische Gruppe Sport (PGS) im Zürcher Kantonsrat, in den sie 2013 gewählt worden war. Nach ihrer Wahl in den Nationalrat im Herbst 2023 trat sie aus dem Kantonsrat aus, bleibt aber Gemeindepräsidentin von Rüti ZH. Der ZKS bedankt sich bei der Zürcher Oberländerin für die sehr gute Zusammenarbeit in dieser Zeit und gratuliert zur Wahl in den Nationalrat. Bürgins Nachfolger an der Spitze der PGS ist Daniel Wäfler, der auch im Vorstand der IG Sport Gossau ZH ist.

Sport-Lobbying geht alle an. Was kann das einzelne Vereinsmitglied unternehmen?

Bürgin: Wenn Gemeinden runde Tische organisieren, sollten die Vereine unbedingt daran teilnehmen. In Rüti haben wir die E-Mitwirkung etabliert, um schneller das Feedback der Vereine zu erhalten. Diese Kanäle, unter anderem auch eine IG Sport, sind wertvolle Tools, die die Vereine nutzen sollten. Wenn die Politik die Bedürfnisse der Vereine nicht kennt, wird sie auch nichts dafür machen.

Diggelmann: Man sollte meiner Meinung nach mit den Bedürfnissen zuerst auf die Verwaltung zugehen und – wenn nichts geht – auf die Politikerinnen und Politiker. Manchmal braucht die Exekutive einen Vorstoss, um ein Projekt anstossen oder legitimieren zu können. 

Sie engagieren sich in Ihren Parlamenten in der jeweiligen Parlamentarischen Gruppe Sport. Wie wertvoll schätzen Sie dieses Netzwerk ein?

Diggelmann: Es ist gut zu wissen, wer sich in den anderen Fraktionen um Sportthemen kümmert. Wir nehmen in der Gruppe auch Themen auf, die gerade aktuell sind. Oder wir geben Verwaltungen und Vereinen die Möglichkeit, sich, ihre Anliegen und ihre Strategien zu präsentieren. So schaffen wir einerseits Verständnis und können anderseits unsere parlamentarischen Aufgaben wahrnehmen. 

Bürgin: Es ist auch umgekehrt gut. Wenn jemand ein Anliegen in Sachen Sport hat, braucht es nicht 180 E-Mails, sondern es gibt eine Anlaufstelle – das Präsidium der Parlamentarischen Gruppe Sport. Und wir können sportaffinen Vorstössen über die Fraktionsvertreter in den verschiedenen politischen Lagern zu einer Mehrheit verhelfen. 

Wie wichtig sind unterstützende Organisationen wie der ZKS oder der Zürcher Stadtverband für Sport (ZSS)?

Diggelmann: Ich habe den ZSS schon bei mehreren Themen angeschrieben und konkret um Mithilfe gebeten, damit er die Sicht der Vereine zu dem jeweiligen Thema abholt. Ich kenne mich längst nicht in jeder Sportart aus und da ist es wertvoll zu wissen, dass ich auf den ZSS zugehen und Einschätzungen einholen kann.

Bürgin: In meiner Zeit als Präsidentin der PGS konnte ich mich immer an den ZKS wenden. Dank diesen Informationen kann man schon bei der Formulierung eines Vorstosses Einfluss nehmen und ihn in die richtige Richtung lenken.

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